Freies Fischen für freie Frauen!

Published On: 23. Juli 2022

Beim Memminger Fischerinnen- und Fischertag springen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jedes Jahr im Sommer in den Stadtbach und fischen Forellinnen und Forellen aus dem Wasser. Seit 1597 gibt es diese Tradition. 1900 gründete sich der Fischertagsverein, der den Wettbewerb seither veranstaltet. Eine Satzungsregelung, wdie Frauen als Stadtbachfischer ausschließt, wurde nachträglich im Jahre 1931 eingeführt. Faktisch haben Frauen seit Gründung des Vereins nie als Fischerinnen am Fischertag teilgenommen.

Am 23.07.2022 sprang – bzw. juckte wie es korrekt heißt – die Tierärztin Christiane Renz als erste und bisher einzige Frau in den Stadtbach zum Forellinnen- und Forellen-Fischen. Renz kämpfte jahrelang vor Gerichten für das diskriminierungsfreie Fischen für alle Geschlechter. Am 31.08.2020 gewann Renz einen Prozess vor dem Amtsgericht Memmingen (Az. 21 C 952/19), und am 28.07.2021 vor dem Landgericht Memmingen (Az. 13 S 1372/20). Insgesamt drei Jahre lang dauerten die Gerichtsverfahren gegen den Verein, der nur Männer fischen lassen will.

Unterstützt wird der „Memminger Forellen-Feminismus“ (DIE WELT vom 23.06.2021) von der „Feministischen Aktionsgruppe MM“. Die Demonstrantinnen und Demonstranten stehen am Ufer der Ach, halten Pappschilder in den Regen und fordern freies Fischen für freie Frauen. Das Motto ihres Protestes gegen das Forellen-Patriarchat lautete: „Equality hurts no one“. Das heißt auf Deutsch „Gleichheit tut niemandem weh“, klingt aber auf Englisch besser.

Auch Dr. Susann Bräcklein, die Rechtsanwältin der Fischerin, war als Unterstützerin ihrer Mandantin anwesend. Im gesamten Stadtraum haben Feministinnen und Feministen – unbemerkt von Polizistinnen und Polizisten – Schilder und Pfähle mit politischen Stickern beklebt mit der Aufschrift: „D’r Mau Isch a Frau!“ Das heißt auf Deutsch „Der Mond ist eine Frau“, klingt aber auf Schwäbisch besser. Der Memminger Mau ist ein runder Kuchen mit Mondgesicht auf der Oberseite, der zum Fischertag (zumeist von einer Hausfrau) gebacken wird.

Auf das Ausfischen des Stadtbaches folgte das Auswiegen der Forellinnen und Forellen auf dem Marktplatz und auf dem Frauenkirchplatz (!). Wer die schwerste Forellin oder Forelle gefangen hat, wird Fischerkönig bzw. Fischerkönigin. 2.000 Gramm brachte heuer der schwerste Fisch auf die Waage, gefangen von Luca Wassermann. Er trägt nun den Titel „Luca der Erste, der Frische“. Ob es sich bei Lucas Fisch um eine Forellin oder Forelle handelte, ist nicht bekannt.

Nur einige Meter entfernt von der Stelle, an der die einzige Fischerin in die Ach juckte, steht der „Hexenturm“. Dort sperrten die Einwohner im Mittelalter jene Frauen ein, die sie für „Hexen“ hielten, folterten und töteten sie. Der „Hexenturm“ ist die Attraktion der Altstadt, sein Abriss oder zumindest eine Umbenennung ist derzeit nicht Aussicht. Bis dahin ist es noch ein langer Weg und es werden noch viele Forellinnen und Forellen den Stadtbach hinunter schwimmen.

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