Präsident Erdoğan trifft Sportler in London
Seit zwei Monaten und zwei Wochen bestimmt das Treffen von Mesut Özil, İlkay Gündoğan, Cenk Tosun und Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Schlagzeilen in Deutschland. Selbst eine ereignisreiche Fußball-Weltmeisterschaft in Russland mit vielen Toren und sportlichen Höhepunkten konnte das Treffen nicht aus den Nachrichten verdrängen.
Unzählige Politiker, Prominente, Sportler, Funktionäre und Journalisten haben sich zu dem Treffen geäußert, unter ihnen sogar Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel, letztere äußerte sich sogar mehrmals dazu. Ziemlich wenig ist in all diesen Äußerungen jedoch über den Anlass und Inhalt des Treffens zu erfahren. Was also wurde über das Treffen als solches gesagt?
Am 14.05.2018 postet die AK Parti in einem Tweet:
„Cumhurbaşkanımız Recep Tayyip Erdoğan, çeşitli temaslarda bulunmak üzere gittiği İngiltere’nin başkenti Londra’da Premier Lig’de oynayan Türk futbolcu Cenk Tosun, Türk asıllı futbolcu Mesut Özil ve Türk asıllı futbolcu İlkay Gündoğan’ı kabul etti.“
(„Unser Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, der wegen verschiedener Angelegenheiten in der englischen Hauptstadt London unterwegs war, hat den in der Premier Ligue spielenden türkischen Fussballspieler Cenk Tosun und die türkischstämmigen Mesut Özil und İlkay Gündoğan empfangen.)
Am 14.05.2018 berichtet Anadolu Ajansı:
„Cumhurbaşkanı Recep Tayyip Erdoğan, İngiltere Premier Ligi’nde oynayan Türk futbolcular Cenk Tosun, Mesut Özil ve İlkay Gündoğan’ı kabul etti. Four Seasons Otel’de basına kapalı gerçekleştirilen kabulde, Tosun, Özil ve Gündoğan, Cumhurbaşkanı Erdoğan’a imzalı formalarını hediye etti.“
(„Präsident Recep Tayyip Erdoğan empfängt die türkischen Fußballspieler in der englischen Premier League Cenk Tosun, Mesut Özil und Ilkay Gündoğan. Tosun, Özil und Gündoğan überreichten Präsident Erdoğan die unterschriebenen Hemden im geschlossenen Empfang im Four Seasons Hotel.“)
Am 14.05.2018 erklärt sich Gündoğan:
„Zusammen mit Mesut, Cenk und weiteren Sportlern haben wir gestern Abend eine Veranstaltung einer türkischen Stiftung in London besucht. Wir finden es gut, dass es eine Stiftung gibt, die türkische Studenten im Ausland fördert und Ihnen damit eine internationale Karriere ermöglicht.
Wir haben den türkischen Staatspräsidenten am Rande der Veranstaltung getroffen. Aus Rücksicht vor den derzeit schwierigen Beziehungen unserer beiden Länder haben wir darüber nicht über unsere sozialen Kanäle gepostet. Aber sollten wir uns gegenüber dem Präsidenten des Heimatlandes unserer Familien unhöflich verhalten? Bei aller berechtigten Kritik haben wir uns aus Respekt vor dem Amt des Präsidenten und unseren türkischen Wurzeln – auch als deutsche Staatsbürger – für die Geste der Höflichkeit entschieden.
Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen. Als deutsche Nationalspieler bekennen wir uns zu den Werten des DFB und sind uns unserer Verantwortung bewusst.
Fussball ist unser Leben und nicht die Politik.“
Am 19.05.2018 berichtet DER SPIEGEL auf Seite 38:
„Das Treffen von Gündoğan und Özil in London kam wohl auf Vermittlung des Erdoğan-Beraters Hamza Yerlikaya zustande, eines Olympiasiegers im Ringen. Es fand im Rahmen eines Abendessens im Four Seasons statt, das von einer Stiftung namens Turken ausgerichtet wurde. Die Stiftung betreibt Studentenwohnheime und vergibt Stipendien im Ausland. Sie gehört zu dem komplizierten, durchaus korrupt* anmutenden Geflecht aus Stiftungen und Wirtschaftsunternehmen der Familie Erdoğan. Esra Albayrak, Tochter des Präsidenten, sitzt im Vorstand. Zum Abendessen in London brachte Recep Tayyip Erdoğan fast sein gesamtes Kabinett mit und auch den Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die Fotos waren schon bei einem Treffen am Nachmittag entstanden.“
(*DER SPIEGEL-Artikel wurde verfaßt von Lothar Gorris. Die Angaben bezüglich des Treffens beruhen auf Informationen des İstanbul-Korrespondenten Maximilian Popp. Die Aussage „korrupt anmutenden Geflecht“ ist eine Wahrnehmung, die nicht mit Beweisen belegt ist. Wer eine solche schwere Anschuldigung andeutet, ist auch dazu verpflichtet, sie zu belegen. Dem kommt DER SPIEGEL in keiner Weise nach.)
Am 05.06.2018 sagt Gündoğan zu Journalisten in Italien:
„Es war eine Veranstaltung, die wir als Premier-League Spieler, als türkischstämmige Premier-League Spieler, besucht haben für Stipendiate, die aus der Türkei vergeben worden sind.“
Am 07.06.2018 berichtet DIE ZEIT auf Seite 18:
„Das Treffen fand auf der Veranstaltung einer Stiftung statt, die türkische Studenten im Ausland unterstützt – die Turken Foundation, ein vor vier Jahren gegründeter Verein, konservativ und regierungsnah. Und im Aufsichtsrat sitzt die Tochter des türkischen Präsidenten.“
Am 22.07.2018 schreibt Özil in einem Tweet, er habe Präsident Erdoğan getroffen
„during a charitable and educational event“
(„während eines mildtätigen und bildenden Ereignisses“)
Am 24.07.2018 berichtet BILD (Bundesausgabe) auf Seite 3:
„Söğüt soll das Treffen mit Erdoğan eingefädelt … haben.“
(Erkut Söğüt ist der Berater von Özil und Gündoğan)