Schiebung im Mauerpark
Für den 30.05. und 31.05.2020 kündigte die «Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand e. V. in Gründung (KDW)» erstmals die angemeldeten «Großversammlungen Demokratie im Mauerpark» an. Der Mauerpark ist eine öffentliche Parkanlage in Berlin-Pankow.
Jeweils von 15:00 bis 18:30 Uhr hat die KDW «Demokratinnen und Demokraten aus ganz Deutschland nach Berlin» eingeladen, um Reden zu halten auf der Bühne des Forums im Mauerpark, das einem Amphitheater der Antike nachempfunden ist.
Für gewöhnlich finden hier an den Wochenenden Karaokeveranstaltungen statt, bei denen das Freilichttheater knallvoll ist, die Zuschauer sich Schulter an Schulter dicht aneinanderquetscht auf den Plätzen drängen. Doch bei den beiden «Demokratie im Mauerpark»-Meetings der KDW saßen jeweils nur eine Handvoll Leute auf den Rängen. Und dies bei fantastischem Wetter: Sonnenschein, blauer Himmel und sommerliche Temperaturen an beiden Tagen.
Am Samstag waren es ca. 90 Zuschauer und ca. 35 Redebeiträge. Am Sonntag: ca. 40 Zuschauer und ca. 15 Redebeiträge. Der KDW-Vorstandsvorsitzende und Zeitungsherausgeber Anselm Lenz war Samstag vor Beendigung der Versammlung gegangen und am Sonntag nicht im Mauerpark erschienen.
«Die rufen nur aus, die kümmern sich um gar nichts. Die KDW hatte nicht einmal die Ordner für ihre eigenen Veranstaltungen organisiert, es gab keine Infrastruktur von Seiten der Veranstalterin KDW», kommentierte ein Helfer, der namentlich nicht genannt werden möchte.
Hendrik Sodenkamp von der KDW sagte im Interview mit mir, daß es am Samstag 70 bis 80 Redebeiträge gegeben habe, was nicht den Tatsachen entspricht.
Ebenfalls entspricht es nicht den Tatsachen, daß kulanterweise ca. zwei-dreihundert Leute von der Polizei bei der Veranstaltung zugelassen wurden (trotz Beschränkung auf 100 Teilnehmer, Anmerkung des Autors), wie Anselm Lenz am 02.06.2020 unter dem Titel «Demokratie für alle!» im Interview mit Rubikon sagte. Erstens, weil es gar keine zwei-dreihundert Leute waren und zweitens, weil ja die Teilnehmerbeschränkung auf 100 Personen seit dem 30.05. nicht mehr gilt, worauf noch näher eingegangen wird in diesem Text.
Die Polizei gab sich nicht einmal mehr die Mühe, über die sonntägliche Versammlung der KDW eine Pressemeldung herauszugeben.
«Da war die Luft raus, das hatte keine Intensität mehr. Es war traurig, daß die KDW mit ihrer Reichweite so wenig Zuschauer und Redner anzog», sagte ein Beobachter.
Vielleicht aus diesem Grund kommentierte ein Polizeisprecher: «Die Versammlung der KDW im Mauerpark wurde am Sonntag eine Stunde vor dem geplanten Ende bereits gegen 17.30 Uhr aufgelöst.»
Warum waren auf den KDW-Events im Mauerpark so wenige Leute? Woran lag die geringe Teilnehmerzahl? Vielleicht an den relativ restriktiven Teilnahmebedingungen, die im Vornherein wiederholt durch den KDW kommuniziert wurden?
Im Newsletter 37 vom 24.05.2020 hieß es: «Wir möchten hiermit zum kommenden Wochenende nach Berlin einladen. Dort werden am Samstag und am Sonntag, 30.05. und 31.05.2020 angemeldete Großversammlungen mit je 100 SprecherInnen stattfinden.»
Zu den Bedingungen hieß es: «Jede und jeder hat die Möglichkeit eine zwei-minütige Rede zu halten, Anklagen und Forderungen zu formulieren und diese im Anschluss in Redekreisen zu diskutieren.
Senden Sie uns bitte bis zum kommenden Mittwoch Ihre Anmeldung zu. Das Anmeldeformular finden Sie im Anhang. – Um vielfältige Meinungen abbilden zu können, bitten wir Sie uns Ihr Thema im Vorfeld zukommen zu lassen.»
Das waren die hohen Hürden für eine Rede im Mauerpark
Auf dem Anmeldeformular im Anhang stand: «Thema meiner zwei-minütigen Rede ist: … Den Text der Rede habe ich bereits mitgeschickt: [ ] JA [ ] Nein, kommt aber bis Do. 28.05.2020, 12:00h. Zutreffendes bitte ankreuzen.» Das sind hohe Hürden für eine Rede im Park.
Zudem hatte sich ein Redner, der sich als guter Bekannter von der Veranstalterin und Moderatorin Jill Sandjaja bezeichnete, ca. eine Viertelstunde lang gesprochen und damit die siebenfache Redezeit zugebilligt bekommen. Schiebung im Mauerpark.
Desweiteren hatten die Versammlungen, so wie sie mehrfach angekündigt waren, vor Beginn der Events an politischer Brisanz verloren. In der Einladung hieß es: «Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist in der vermeintlich links-liberalen Stadt Berlin noch nicht wieder in Gänze hergestellt. Deshalb müssen wir die TeilnehmerInnenzahl auf 100 begrenzen.»
Nach wochenlanger Corona-Einschränkung gab es allerdings ab dem 30.05. bei Demonstrationen in Berlin keine begrenzte Teilnehmerzahl mehr. Der rot-rot-grüne Senat hatte bereits am 28.05. beschlossen, die Begrenzung der Teilnehmerzahl aufzuheben und Versammlungen ab dem 30.05. ohne Teilnehmerbeschränkungen zuzulassen. Die Veranstaltung der KDW wurde von den Ereignissen überrollt und die KDW ist zudem auf die Neuerungen mit keinem Wort eingegangen.
In dem Newsletter 39 vom 28.05., dem Tag, an dem beschlossen wurde, daß Demonstrationen ab dem 30.05. erstmals wieder ohne Teilnehmer-Limit durchgeführt werden können, wurde die wichtige Neuerung des Senats durch die KDW nicht thematisiert.
Stattdessen heißt es: «Es sind noch ein paar Plätze da, deshalb schicken Sie uns bitte noch am Donnerstag Ihr ausgefülltes Anmeldeformular mit Thema zu. Das Dokument finden Sie im Anhang.» Erneut wird das Dokument angehängt mit der Aufforderung, daß die Rede, mit der man sich für einen Auftritt im Forum zu bewerben habe, «bis Do. 28.05.2020, 12:00h» bei der KDW eingehen müsse.
Vielen Dank auch für den väterlichen Hinweis: «Dies ist eine zentrale Versammlung für Menschen aus der ganzen Republik. — Wenn Sie aus anderen Städten anreisen, möchten wir Sie bitten, sich bei Bedarf eigenständig um eine Übernachtungsmöglichkeit zu kümmern.»