«Impflicht bedeutet Debattenpflicht!»
«Impflicht bedeutet Debattenpflicht!», fordert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier heute während einer Diskussionsrunde im Schloß Bellevue mit Bürgern zu Pro und Contra einer Impfpflicht zur Überwindung der COVID-19-Pandemie.
Professor Dr. Cornelia Betsch, eine deutsche Psychologin und Inhaberin der DFG Heisenberg-Professur für Gesundheitskommunikation an der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt, forscht über die Sorgen und Ängste, die Menschen vor dem Impfen haben.
Betsch sprach über ihre Ergebnisse aus dem wiederholten querschnittlichen Monitoring von Wissen, Risikowahrnehmung, Schutzverhalten und Vertrauen während des aktuellen COVID-19 Ausbruchsgeschehens. Die Ergebnisse werden auf der Internetseite Corona-Monitor.de publiziert.
Das COSMO — COVID-19 Snapshot Monitoring ist ein Gemeinschaftsprojekt von Universität Erfurt, Robert Koch Institut, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Leibniz-Institut für Psychologie, Science Media Center, Bernhard Nocht Institut für Tropenmedizin und Yale Institute for Global Health.
Sven Elk Winter, ein Lehrer aus Berlin, berichtet über Schüler, die sich gerne impfen lassen wollen, deren Eltern es aber nicht erlauben. Eltern müssen unterschreiben, daß Schüler sich in der Schule impfen lassen dürfen und es gebe Eltern, die dagegen seien, daß ihre Kinder geimpft werden.
Gudrun Gessert und Oliver Foeth schrieben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihre Sorgen und Ängste über die Impfung und wurden gerade wegen ihrer kritischen Haltung gegen die Impflicht von dem Bundespräsidenten persönlich zu der Diskussion eingeladen, um eine breite Debatte abzudecken.
«Bitte Schluss machen mit der Polarisierung zwischen geimpft und ungeimpft!», fordert die Lehrerin Gudrun Gessert, die in Kirchentellinsfurt in Baden-Württemberg unterrichtet. Diese Unterscheidung biete eine enorme soziale Sprengkraft und treibe Menschen in die Arme von Radikalen.
Die Impfpflicht sei nicht geeignet, die Pandemie zu überwinden, medizinisch nicht vertretbar und sozial ungerecht, weil sich Arme die Bußgelder nicht leisten könnten.
Gessert findet es erschreckend, daß ihr Bürgermeister Boris Palmer die Beugehaft für Impfverweigerer fordere. «Impfen ja, Zwang nein. Ich plädiere für eine freie Entscheidung!», fordert die Lehrerin Gessert von dem Bundespräsidenten.
Professor Dr. Betsch dankt Gessert für ihre offenen Worte zu ihren Ängsten und Sorgen vor der Impfflicht. Betsch stimmte Gessert in einem zentralen Punkt zu: «Wir können nur gemeinsam aus dieser Pandemie herauskommen.»
Betsch sagt, sie wolle verstehen, was die Leute antreibe. Betsch mahnt im Hinblick auf die derzeitigen Demonstrationen gegen die Impfpflicht die Bürger vor Radikalen: «Jeder muss aufpassen, mit wem er marschieren, mit wem er demonstrieren geht!»
Gessert sieht gewiße Impforte kritisch, an denen man sich im Alltag nebenbei impfen könne. «Ich habe kein Vertrauen in Impfungen im Bus oder beim Einkaufen. Eine Impfung erfordert ein vorheriges vertrauensvolles und gewissenhaftes Beratungsgespräch durch einen Arzt.»
Bundespräsident Steinmeier widerspricht Gessert: «Sie haben ein breites Angebot. Sie müssen sich nicht im Bus impfen lassen.»
Gessert sagt, sie wolle einen Beitrag leisten zur Überwindung der Pandemie, sehe es aber kritisch, daß sie als Geimpfte weiterhin andere infizieren könne.
Professor Dr. Kai Nagel von der Technischen Universität Berlin weist Gessert daraufhin, daß es um Wahrscheinlichkeiten gehe und die Impfung unter diesem Gesichtspunkt ein gutes Argument sei.
Gessert stellt klar, daß sie nicht gegen das Impfen sei und daß sie keine Schwurblerin sei, aber das die Impfung keine totale Sicherheit vor dem Virus biete.
Oliver Foeth, Assistent der Leitung eines Geschäfts in Bamberg, sieht die Impfpflicht problematisch. Die Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe sei fragwürdig und die Wirkungsdauer der Impfstoffe kurzfristig. Die Impfdurchbrüche zeigten zudem, daß die Impfung keinen totalen Schutz vor einer Erkrankung biete.
Der Bundespräsident sprach von nur 0,01 Prozent von festgestellten fatalen Nebenfolgen der Impfung und daß es keine Bestätigung dafür gebe, ob nach der Impfung auftretende Schäden überhaupt auf die Impfung zurückzuführen seien.
Betsch sagt, es seien bisher weit über acht Milliarden Dosen von COVID-Vakzinen weltweit verimpft worden und man wisse inzwischen über alle seltenen Nebenfolgen Bescheid und finde Lösungen. Das biete ihr Vertrauen in die Impfung. Man müsse ein Risiko abwegen, stimmten Bescht und Foeth überein, wobei die Schlussfolgerung bei beiden unterschiedlich ausfällt.
Betsch sagt über die Meldungen von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen von COVID-Vakzinen beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI), daß die Meldung von Verdachtsfällen sehr niederschwellig sei.
Gudrun Gessert dominiert die Diskussion & hat nach anderthalb Stunden Debatte die meiste Redezeit von allen Teilnehmern! Gessert spricht sogar insgesamt viel länger als der Bundespräsident. Es wäre wünschenswert, daß auch die anderen Teilnehmer der Debatte häufiger zu Wort kommen.
Die Debatte ufert aus in einem Rededuell zwischen Gudrun Gessert und Cornelia Betsch über Lipid-Nanopartikel mit Frank-Walter Steinmeier als Schiedsrichter. Der Diskussion würde es gut tun, wenn etwas breiter und gesellschaftlich relevant diskutiert werden würde.
Es geht in der Diskussion über bedingte Zulassungen, Notfallzulassungen und Haftungsausschlüsse und über die Details von mRNA-Impfstoffen. Aber es gibt keinen Mediziner in der Diskussionsrunde. Vielleicht würde ein Mediziner der Runde sehr gut tun in Bezug auf medizinische Fragen.
Gessert bestreitet, das durch die Impfpflicht die Herdenimmunität erreicht werden könne, da auch Geimpfte den Virus weiter geben.
Gudrun Gessert dominiert weiterhin die Runde und der Bundespräsident versucht nun sehr höflich, dagegen zu steuern und auch andere Teilnehmer wieder häufiger zu Wort kommen zu lassen.
Betsch nimmt Bezug auf die Solidarität, die durch eine Impfung ausgedrückt werde. «Es ist eine egoistische Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen. Es ist OK, egoistisch zu sein, aber es kann nicht jeder in einer Gesellschaft egoistisch sein.»
Es wird jetzt über Faktencheks gestritten. Professor Dr. Cornelia Betsch verlangt einen Faktencheck zu den Äußerungen von Gudrun Gessert. Gessert wird emotional und will dem Bundespräsidialamt die Beweise für ihre aufgestellten Behauptungen gegen die Impfpflicht zukommen lassen.
Bundespräsident Steinmeier wünscht sich, daß wir Dank Impfung «in überschaubarer Zeit wieder in normale Verhältnisse zurückkehren können, uns wieder in sozialem Verhalten üben können, und daß Enkelkinder ihre Großeltern wieder unbeschwert besuchen können.»
Prof. Dr. Kai Nagel sagt, daß er als Wissenschafter an die wissenschaftliche Arbeitsteilung glaube und daß er deshalb, wenn Wissenschaftler sagen, daß die Impfung sicher sei, er sich auf die Einschätzung seiner Kollegen verlasse.
Prof. Dr. Kai Nagel sagt, Risiken der Nebenwirkungen einer Impfung seien niedriger als die Risiken einer Infektion mit COVID-19.
Jetzt kommt das Fazit der Teilnehmer:
Oliver Foeth nimmt aus der Pandemie mit, daß alle dasselbe Ziel haben, die Pandemie zu beenden.
Gudrun Gessert empfand den offenen Diskurs im Schloß Bellevue als wohltuend und wünscht sich, daß das öfters stattfinde und die Regierungsmitglieder dem Beispiel des Bundespräsidenten folgen mögen, den Bürgern zuzuhören.
Der Berliner Lehrer Sven Elk Winter sieht weiteren Gesprächsbedarf bei Menschen, die der Impfung skeptisch gegenüber stehen.
Die Kölner Krankenschwester Ellen Schaperdoth will Maßnahmen, die der Bevölkerung ermöglichen, eine Gesundheitskompetenzen aufzubauen, aufgrund derer die Bürger fundierte Entscheidungen treffen können.
Die Pflegerin Sigrind Chongo wünscht sich durch solche Runden gemeinsames Verständnis füreinander und die Entwicklung eines gemeinsamen Willens, die Pandemie zu bekämpfen.
«Wir sind Pandemiemüde», klagt Professor Dr. Cornelia Betsch.
Der Bundespräsident weist darauf hin, daß die heute im Schloß Bellevue Diskutierenden nur stellvertretend für Millionen an der Debatte teilgenommen haben.
Die Debatte ist beendet. Nicht alle Teilnehmer hatten Gelegenheit, ihr Fazit zu äußern. Das Bürgerpodium ist eine gute Initiative des Bundespräsidenten, der sich bemühte, eine ausgewogene Runde zu moderieren. Leider gab es keine ausgeglichene Balance der Redezeit aller Teilnehmer