Israel erklärt Organisatoren mit mutmaßlicher PFLP-Nähe zu Terrorgruppen
Israels Verteidigungsministerium erklärte am 22.10.2021 sechs zivilgesellschaftliche Organisationen zu Terrorgruppen. Der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet erklärte, es gebe Belege dafür, dass die Organisationen mehrere europäische Staaten, darunter Deutschland, „betrogen und getäuscht“ hätten. So seien Millionen Euro an Hilfsgeldern in die „militanten Terroraktivitäten der PFLP“ geflossen (AFP vom 22.10.2021).
Umweltministerin Tamar Zandberg (Meretz) forderte ihren Kabinettskollegen, den Verteidigungsminister Generalleutnant Benjamin «Benny» Gantz (Kachol Lavan), dazu auf, die Geheimdienstinformationen offenzulegen, die zu der Einstufung führten.
Die betroffenen zivilgesellschaftliche Organisationen sind die Union der palästinensischen Frauenkomitees, Addameer, Al Haq, die Union der Komitees für landwirtschaftliche Arbeit, das Bisan-Zentrum für Forschung & Entwicklung und Defense for Children International in den palästinensischen Gebieten.
Ned Price, Sprecher des US-amerikanischen Außenministeriums, sagt, die USA seien vorab nicht über die Entscheidung informiert worden und erwarteten weitere Aufklärung.
Ein EU-Sprecher erinnert daran, daß schon in der Vergangenheit israelische Vorwürfe über den Missbrauch von EU-Geldern durch palästinensische Organisationen «nicht fundiert» gewesen seien.
Die deutsche Bundesregierung äußerte sich mehrere Tage lang nicht zu dem Vorgang trotz mehrfacher Nachfrage. Erst am 26.10.2021 sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts:
«Aus Sicht der Bundesregierung sind die Achtung der Menschenrechte, von Grundfreiheiten und die Handlungsfähigkeit einer starken Zivilgesellschaft entscheidend. Dafür setzen wir uns gegenüber unseren Partnern weltweit ein. Unterstützungsleistungen der Bundesregierung und der von ihr beauftragten staatlichen Durchführungsorganisationen unterliegen den einschlägigen Sanktionsregimen der EU und der UN, die der Bekämpfung von Terrorismus und Terrorismusfinanzierung dienen.
Vorwürfen und Hinweisen zu möglichen Verbindungen von Partnern zu terroristischen Vereinigung wurden in der Vergangenheit immer sehr ernst genommen und wir sind diesen ausnahmslos mit großer Sorgfalt nachgegangen. Darüber hinaus wird auch die Partnerstruktur der Mittler- und Durchführungsorganisationen vor Ort regelmäßig geprüft, um eine finanzielle Förderung von terroristischen Aktivitäten aus Mitteln des Bundesregierung auszuschließen. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung die Meldungen zur israelischen Entscheidung, sechs palästinensische Nichtregierungsorganisationen zu Terrororganisationen zu erklären, zur Kenntnis genommen. Wir stehen dazu derzeit im Austausch mit unseren Partnern.»
Und erst eine knappe Woche nach der Entscheidung in Israel kam das Thema erstmals in der Regierungspressekonferenz auf, die im Nachfolgenden dokumentiert ist.
IM WORTLAUT
Regierungspressekonferenz vom 27. Oktober 2021 (Auszug)
Frage: Frau Sasse, die israelische Regierung hat letzte Woche sechs palästinensische NGOs als terroristische Organisationen eingestuft. Wie bewerten Sie diesen Vorgang an sich? Dabei geht es ja hauptsächlich um Menschenrechtsorganisationen. Fließt an diese Organisationen eigentlich Geld, zum Beispiel von der Bundesregierung?
Sasse: Vielen Dank, für die Frage. – Wir haben die Meldungen selbstverständlich zur Kenntnis genommen und stehen dazu im Gespräch mit unseren israelischen Partnern. Aus Sicht der Bundesregierung sind die Achtung von Menschenrechten und von Grundfreiheiten sowie die Handlungsfähigkeit einer starken Zivilgesellschaft entscheidend. Dafür setzen wir uns gegenüber unseren Partnern ein, selbstverständlich auch im Nahen und Mittleren Osten. Daher sind wir sehr besorgt über diese israelische Entscheidung.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass wir in der Vergangenheit Vorwürfen und Hinweisen zu Verbindungen von möglichen Partnern zu terroristischen Organisationen immer nachgegangen sind und diese Vorwürfe auch sehr ernst genommen haben. Darüber hinaus prüft das Auswärtige Amt fortlaufend die Partnerstruktur unserer Mittler- und Durchführungsorganisationen vor Ort, um eine finanzielle Förderung von terroristischen Aktivitäten aus Mitteln des Auswärtigen Amtes auszuschließen. Die Listung kompletter Organisationen als terroristische Entitäten ist ein Schritt weitreichender politischer, rechtlicher und finanzieller Bedeutung für die Organisationen selbst sowie für deren zivilgesellschaftliches Umfeld. Wir erwarten daher nun weitere Erkenntnisse von der israelischen Seite.
Zusatzfrage: Bezieht sich das auf die Aussagen des Verteidigungsministers, der gesagt hat, dass große Geldsummen von europäischen Ländern und internationalen Organisationen an diese palästinensischen NGOs geflossen sind? Ich hatte ja gefragt, ob zum Beispiel Al-Haq oder die anderen fünf, die jetzt als terroristische Organisation eingestuft wurden, mit deutschem Geld in den letzten Jahren gefördert wurden.
Sasse: Vielleicht zunächst zu den Äußerungen von Herrn Gantz, die Sie erwähnen: Diese Äußerungen werde ich hier an dieser Stelle nicht im Detail kommentieren.
Ich kann Ihnen zur Zusammenarbeit mit den Organisationen sagen, dass deutsche Organisationen in den letzten Jahren Projekte von einigen dieser NGOs, die betroffen sind, über Durchführungsorganisationen unterstützt haben. Derzeit laufen jedoch noch die Prüfungen dessen, was die konkreten Konsequenzen der Projektarbeit sind, und zwar nicht nur innerhalb der Bundesregierung, sondern auch innerhalb der Mittlerorganisationen sowie zum Beispiel innerhalb der politischen Stiftungen. Wir befinden uns auch darüber im Gespräch mit unseren israelischen Partnern. Die nun aufgelisteten NGOs haben sich allgemein etwa für den Schutz von Menschenrechten und im Besonderen unter anderem für die Rechte von Frauen, Kindern und Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen eingesetzt.