Geschichte der Presse-Verbote in Deutschland nach 1945

Published On: 1. September 2024

Das COMPACT-Verbot durch das Bundesministerium des Innern (BMI) war nicht das erste Presse-Verbot in Deutschland und auch nicht das erste Verbot von Presse-Organen durch das Mittel des Vereinsrechts. Eine kleine Geschichte der Presse-Verbote in Deutschland nach 1945.

 

    • 1951 verbot die britische Militärregierung in Deutschland für 90 Tage die Reichszeitung für nationale Opposition und deutsche Selbstbehauptung.

 

    • 1952 verbot das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Zuge des Verbots der Sozialistischen Reichspartei (SRP) die parteieigenen Blätter Deutsche Wacht und Die Information sowie die SRP-nahe Zeitschrift Deutsche Opposition – Neue Folge der Deutschen Wacht, Nachfolgerin der bereits 1951 verbotenen Reichszeitung für nationale Opposition und deutsche Selbstbehauptung. Zudem betraf das Verbot auch die Jugendzeitung Die Fanfare, die parteiamtlich empfohlen wurde (Az. 1 BvB 1/51).

 

    • 1956 verbot das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Zuge des Verbots der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) auch die Presse der Partei, unter ihnen das Zentralorgan der KPD, die Zeitung Freies Volk. In der Bundesrepublik Deutschland gab es im Jahre 1954 dreizehn kommunistische Tageszeitungen mit einer täglichen Auflage von 18.000 bis 60.000 Exemplaren. Nach dem Verbot 1956 beschlagnahmten die Behörden 17 Zeitungen mit einer Auflage von insgesamt rund 150.000 Exemplaren (Az. 1 BvB 2/51).

 

    • 1969 beantragte das BMI beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dem Journalisten Gerhard Frey und seiner Druckschriften- und Zeitungsverlags GmbH (DSZ-Verlag) das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, insbesondere der Pressefreiheit, für verwirkt zu erklären und Freys Verlag aufzulösen. Frey war Herausgeber der Deutschen National-Zeitung (früher Deutsche National-Zeitung und Soldaten-Zeitung). 1974 lehnte das Bundesverfassungsgericht die Anträge ab, da das Medium keine ernsthafte Gefahr für den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (fdGO) darstelle und keine politisch bedeutsame Resonanz finde (Az. 2 BvA 1/69).

 

    • 1980 verbot das BMI im Zuge des Verbots der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) die Kommando – Zeitung für den europäischen Freiwilligen (Az. IS 2 – 612 320 – H6).

 

    • 1988 strich das Ministerium für Post- und Fernmeldewesen in Berlin die Zeitschrift Sputnik für ein Jahr von der Postzeitungsliste, was einem Verbot gleichkam. Der Postzeitungsvertrieb (PZV) war das staatliche Vertriebsorgan der DDR für alle Presseerzeugnisse des In- und Auslandes. Gemäß des Gesetzes über das Post- und Fernmeldewesen war die Deutsche Post allein zuständig für die Beförderung und den Vertrieb fortlaufend erscheinender Presseerzeugnisse.

 

    • 1993 verbot das BMI im Zuge des Verbots der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) die PKK-nahen Berxwedan-Verlags GmbH sowie die Nachrichtenagentur Kurdistan-Haber Ajansi-News-Agency (Kurd-Ha) (Az. IS 1 – 619 314/27). Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte 1994 und 1997 das Verbot (Az. 1 VR 9/93, 1 A 13/93).

 

    • 2005 verbot das BMI die Yeni Akit GmbH, Verlegerin der Europa-Ausgabe der Tageszeitung Anadolu’da Vakit (Az. P II 3 – 619314-5/1).

 

    • 2005 verbot das BMI die PKK-nahe E. Xani Presse- und Verlags-GmbH, Verlegerin der seit 1995 erscheinenden Zeitung Özgür Politika (Az. VB 2 – 48 04 77/70). Das Bundesverwaltungsgericht setzte zunächst den Sofortvollzug des Verbots aus (Az. 6 VR 5.05) und hob das Verbot schließlich auf (Az. 6 A 4.05). Die Yeni Özgür Politika, Nachfolgerin der Özgür Politika, erscheint seit 2006 in Deutschland.

 

    • 2008 verbot das BMI die Verbreitung des Fernsehprogramms des Hizb Allah-nahen libanesischen Senders Al Manar TV (Az. ÖS II 3 – 611 834 – 2/0 II). 2020 verbot das BMI auch die Hizb Allah (Az. ÖS II 2 – 20106/24#1).

 

    • 2008 verbot das BMI die PKK-nahen Mesopotamia Broadcast A/S METV, Roj TV A/S und VIKO Fernseh Produktion GmbH (Az. ÖS II 3 – 619 314 – 2/52). Sowohl das Bundesverwaltungsgericht (Az. 6 A 5.08) als auch der Europäische Gerichtshof (Az. C‑244/10, C‑245/10) prüften das Verbot.

 

    • 2011 verbot das BMI im Zuge des Verbots der Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) die Nachrichten der HNG (Az. ÖS III 4 – 619 312/48). 2012 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht das Verbot (Az. 6 A 6.11). Verfassungsbeschwerden dagegen wurden 2018 vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen (Az. 1 BvR 1474/12, 1 BvR 670/13, 1 BvR 57/14).

 

    • 2015 verbot das BMI die Zeitschrift Yürüyüş (Az. ÖS II 2 – 20106/20#1).

 

    • 2016 verbot das BMI das Online-Angebot Altermedia Deutschland (Az. ÖS II 3 – 20106/2#4).

 

    • 2016 verbot das BMI im Zuge des Vereinsverbots gegen die Vereinigung Die wahre Religion (DWR) alias LIES! Stiftung den LIES! Verlag und alle seine Publikationen (Az. ÖS II 2 – 20106/8#2).

 

    • 2017 verbot das BMI das Online-Angebot linksunten.indymedia (Az. ÖS II 3 – 20106/2#9). Klagen dagegen blieben 2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglos (Az. 6 A 1.19, 6 A 2.19, 6 A 3.19, 6 A 4.19, 6 A 5.19, 6 AV 7.19). Verfassungsbeschwerden dagegen wurden 2023 vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Az. 1 BvR 1336/20, 1 BvR 1337/20, 1 BvR 1338/20, 1 BvR 1339/20, 1 BvR 1340/20).

 

    • 2019 verbot das BMI die PKK-nahen Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH sowie MIR Multimedia GmbH (Az. ÖS II 2 – 20106/22#2). 2022 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht das Verbot (Az. 6 A 7.19).

 

    • 2022 untersagten die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) und die Gemeinschaft der Landesmedienanstalten (ZAK – Kommission für Zulassung und Aufsicht), die Veranstaltung und Verbreitung des Fernsehprogramms RT DE. Das Verwaltungsgericht Berlin bestätigte, daß die RT DE Productions GmbH das Fernsehprogramm RT DE nicht weiter senden dürfe (Az. 27 L 43/22).

 

    • 2022 verbot der Rat der Europäischen Union (in dem die deutsche Bundesregierung einen Sitz hat) die Sendung von Inhalten des Radiosenders und Internet-Portals Sputnik sowie Aussetzung aller Rundfunklizenzen oder -genehmigungen, Übertragungs- und Verbreitungsvereinbarungen von Sputnik. Die EU-Verordnung 2022/350 ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union. Auch TikTok, Facebook und Instagram haben die Konten von Sputnik sowie RT (Russia Today) gelöscht.

 

    • 2023 verbot das BMI im Zuge des Verbots des Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V. die Nordische Zeitung (Az. ÖS II 3.20106/2 #22).

 

    • 2023 verbot das BMI im Zuge des Verbots der Harakat al-Muqawama al-Islamiya (HAMAS) die Verbreitung der HAMAS-nahen TV-Sender AL-QUDS sowie AL-AQSA-TV (Az. ÖS II 2 – 20106/31#2).

 

    • 2024 verbot das BMI im Zuge des Verbots der COMPACT-Magazin GmbH und der Conspect Film GmbH u.a. die Zeitschriften COMPACT-Magazin, COMPACT-Geschichte, COMPACT-Spezial, COMPACT-Edition, COMPACT-Aktuell, das Fernsehprogramm COMPACT-TV sowie die Online-Angebote compact-online.de, conspect-film.com, YouTube: @COMPACTTV, YouTube: @JürgenEls.sser7613, Telegram: COMPACT-Magazin, Telegram: COMPACTTV, Telegram: COMPACT.DerTag, X (ehemals Twitter): @COMPACTMagazin, TikTok: compact.magazin, Gettr: @compact, Facebook: compact.tv, Facebook: Conspect Film GmbH, Instagram: Paul Klemm, VK: COMPACT-Magazin sowie WhatsApp: COMPACT (Az. ÖS II 3 – 20106/2#24). Das Bundesverwaltungsgericht setzte den Sofortvollzug des Verbots teilweise aus (Az. 6 VR 1.24). Die Klage im anhängigen Hauptsacheverfahren ist noch nicht entschieden (Az. 6 A 4.24).

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