Weil er Jens Spahn «kokainsüchtig» nannte: Anselm Lenz vor Gericht
Wie bereits in diesem Blog berichtet, wurde Anselm Lenz vom Amtsgericht Tiergarten verurteilt, weil er in einer Bildnebenschrift auf dem Titel der Ausgabe seiner Zeitung «Demokratischer Widerstand» vom 05.09.2020 den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn als «kokainsüchtig» bezeichnete.
In zweiter Instanz beschäftigte sich am 25. Juli im dritten Verhandlungstag die Strafkammer 65 des Landgerichts Berlin mit der Tat und verurteilte Lenz zu 260 Tagessätzen.
Im Prozessbericht eines vorangegangenen Verhandlungstages schreibt Lenz: «Die politische Abteilung der Berliner Staatsanwaltschaft um den Problemjuristen Dr. R., (vergleiche den Einsatzstab R., Rauborganisation der NSDAP für Kulturgüter) … Der Perversling R. hat ganze Schrankwände voller Akten über mich … Aber ist er auch ein Gestapo-Typ, wie alle (wirklich alle) über ihn sagen?…, er ist einer der absolut pervers-feigen Gestapo-Ratten.»
Die Staatsanwaltschaft prüft gerade, ob die Äußerungen strafrechtlich relevant sind, bestätigt Oberstaatsanwalt Sebastian Büchner, Pressesprecher der Strafverfolgungsbehörden in Berlin.
Dennoch teilte Lenz auch heute wieder gegen den Staatsanwalt R. aus – und ging sogar die Richterin verbal an.
Vor Gericht nutzt Lenz die Mai-Ausgabe des Titanic-Satiremagazins, um die Vorwürfe zu entkräften. Auf dem Titel prangert: «Scholz’ Lachgas-Beichte: ‹jede zweite Sitzung war ich auf Ballon›». Auf S. 5 steht: «Die Birne fällt nicht weit vom Stamm. Wahl ungültig. Kohl-Enkel war gedopt!»
Was die Titanic mache, das könne man doch Lenz nicht allen ernstes vorwerfen, lautet die Linie der Verteidigung, die Rechtsanwalt Horst-Eberhard Schultz, dessen Verhandlungsfähigkeit mittlerweile auf zwei Stunden begrenzt ist, übernimmt.
Die junge Staatsanwältin sprüht in ihrem Plädoyer für die Pressefreiheit vor Elan als sie Lenz in die Augen blickt und über die Zeit der Pandemie zu ihm sagt: «Ich gebe Ihnen recht, daß einiges kritisch zu hinterfragen ist, aber mit einer vermeintlichen Kokainsucht hat das nichts zu tun. Sie haben keinen Nachweis für eine Kokainsucht Spahns erbracht. Im demokratischen friedlichen Miteinander müssen Grenzen gesetzt werden, Menschen dürfen nicht in ihrem Ansehen herabgesetzt werden, dürfen nicht in diffamierender Weise als kokainsüchtig dargestellt werden. Was Sie publiziert haben, das ist keine Satire! Es gibt keine Auseinandersetzung mit der Sache. Es gibt keine inhaltlichen Zusammenhang der Bildnebenschrift mit dem Inhalt des Berichts.»
Die Staatsanwältin beantragt, Lenz unter Berücksichtigung der bereits ergangenen Urteile gegen ihn vom 30.08.2023, 05.11.2020 und 19.07.2023 sowie seiner Taten vom 30.08.2020 eine Gesamtstrafe zu bilden in Höhe von 260 Tagessätzen zu je € 25,00.
Die Richterin unterbricht nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft «für eine halbe Minute» und holt ein Blatt aus dem Richterzimmer.
Aufgeregtes Geraune im gut gefüllten Zuschauerraum. Ein Herr kommentiert die Szene: «Jetzt kommt die fertige Vorverurteilung. Der Zettel lag schon da. Diese Wixxer!»
Doch die Richterin zitiert eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die auf dem Blatt steht und belehrt den Angeklagten: «Ihre Einlassung dauerte 3,5 Stunden, Ihre Beweisaufnahme eine Stunde. Ich weise Sie, bevor ich Ihnen das letzte Wort erteile, darauf hin, daß Ihre Redezeit im Rahmen des letzten Wortes beschränkt werden könnte, wenn es von ständigen Wiederholungen und zusammenhanglosen Äußerungen mißbraucht wird und in zeitlichem Mißverhältnis zur Beweisaufnahme steht»
Lenz läßt sich von diesem richterlichem Hinweis nicht beirren und holt zu einem langen letzten Wort aus, das hier nur in kurzen Auszügen wiedergegeben werden kann:
«Ich bin einer der meist gelesenen Journalisten weltweit! Bin weiterhin angeklagt vom Immobilienhändler, Häusleverkäufer Spahn, der aus niederen Beweggründen eine Karriere in der Politik anging, die in die Zeit der Coronalüge fiel, in der er massiv gelogen hat! Aus den RKI-Protokollen geht hervor, daß Spahn systematisch gelogen hat und zum Lügen aufgerufen hat im Amt des Bundesgesundheitsminister bis hin zur Amtsübergabe an Lauterbach.
Er nahm Substanzen zu sich, es müssen Zeugen zugelassen werden, eine Haarprobe genommen werden.
Das Urteil entscheidet, ob ich in mit meiner Familie weiterhin in Deutschland leben kann oder nicht.
Es ist relevant, daß ein Minister gekokst hat und das muß genannt werden in so einer Situation, was die kriminelle Staatsanwaltschaft, vertreten durch den kriminellen Staatsanwalt R., nicht zulassen will und Journalisten politisch verfolgt. Und wir werden dieser kriminellen Staatsanwaltschaft-Abteilung weiter nachgehen!
Sie können mich einsperren, umbringen, ich werde nicht weichen!
Spahn hat gekokst! Spahn zeigt sich hier nicht. Spahn ist in die USA geflohen. Und der wird auch nie wieder zurückkommen!
Spahn ist nun mal ein Kokser, möglicherweise auch im Ministerium, das wird noch zu seiner Entlastung beitragen, daß er die von ihm begangenen beispiellosen Verbrechen, nur vergleichbar mit denen, die damals 1933 bis 45 im medizinischen Bereich begangen wurden, zugekokst begangen hat. Ein Minister hat in der schlimmsten Zeit seit 1945 in Deutschland große Verbrechern begangen und gelogen und das muss aufgearbeitet werden!
Ich übernehme die Verantwortung für diesen Titel, der auf die kriminellen Immobiliendeals Spahns eingeht.
Die Staatsanwaltschaft unter dem kriminellen Staatsanwalt R. stützt das Lügen-Regime. Das Agieren der Justiz verachte ich zutiefst. Ich verachte Sie. Sprechen Sie Ihr Urteil, das schon vorher fest stand. Und dann werde ich das Land verlassen!»
Natürlich ist Lenz nicht einer der meist gelesenen Journalisten weltweit, auch wenn er sich dies noch so sehr wünschen mag. Und nichts aus seiner Wutrede würde einem seriösen Faktencheck standhalten. Spahns Buch über die Coronazeit trägt den Titel «Wir werden einander viel verzeihen müssen». Was Lenz gegen Spahn ins Feld führt, ist tatsächlich sehr viel, was Spahn seinem Kontrahenten Lenz noch verzeihen muss. Lenz setzte mit seiner Beschimpfungsorgie gegen Spahn dafür heute die Vorraussetzung.
Eine Zuschauerin beglückwünscht Herrn Lenz zu seiner Tirade: «Sie haben sehr gut geredet!»
Lenz wendet sich beim Verlassen des Saals noch einmal kameradschaftlich dem AUF1-Reporter Roy Graßmann (bis vor kurzem noch bei COMPACT) zu, der in der Pause vor dem Gerichtssaal dreht: «Ich hör mir dieses Urteil nicht an, ich geh raus rauchen. Wenn Du später noch was von mir willst, findest Du mich unten.»
Das Gericht sagte vor der Verkündung, es ziehe sich für 20 Minuten zur Beratung zurück. Doch die Beratung dauert eine Dreiviertelstunde. Während also die Zuschauer länger als angekündigt auf das Urteil warten, wird in ihren Reihen überlegt, weshalb so lange beraten werde?
«Vielleicht sind die Schöffen gegen die Richterin und diskutieren mit ihr? Das wäre ein gutes Zeichen», mutmaßt ein Zuschauer.
Als die Richterin bei der Urteilsverkündung sieht, daß der Angeklagte den Saal verlassen hat, wird sie still, schweigt. Alle (noch anwesenden) Prozessbeteiligten und die Zuschauer stehen und warten auf die Verkündung des Urteils. Doch die Richterin sagt: «Ich unterbreche nochmals für fünf Minuten!» Und verschwindet mit den Schöffen ins Richterzimmer.
Im Zuschauersaal wird wild spekuliert, was dies zu bedeuten habe. Eine Frau vermutet: «Bestimmt wird das Urteil zu seinem Nachteil noch mal nachträglich geändert!» Es wird debattiert, ob die Richterin es als respektlos empfinde, daß ihr Angeklagter die Biege gemacht habe. Und welche Auswirkung dies auf die Höhe der Strafe habe.
Der Anwalt holt die Richterin aus dem Beratungszimmer. Sie sagt zu ihm: «Ich habe Bedenken, daß der Angeklagte der Urteilsverkündung fern bleibt.» Die Richterin erwägt, ein Verwerfungsurteil zu sprechen. Verwerfungsurteile sind Entscheidungen, bei denen das Gericht ein Rechtsmittel verwirft, weil der Beschwerdeführer nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Als Anwalt Schultze Verwerfungsurteil hört, wird er nervös, will die Richterin von ihrer Entscheidung abbringen. «Das wollen wir natürlich nicht!», ruft Schultz. Der Anwalt muss nun schnell Lenz wieder in den Saal kriegen, um ein Verwerfungsurteil abzuwenden. Schultz ruft seinen Mandanten an und gerät dabei sichtlich in Rage: «Herr Lenz, wir haben ein Problem! Kommen Sie bitte sofort zurück in den Saal! Wo sind Sie? Noch vor dem Gebäude? Bitte schnell!»
Wieder warten auf Lenz. Eine Konstanze in der Dramaturgie der Verhandlungen unter seiner Beteiligung. Schultz greift noch einmal zum Telefon und ermahnt Lenz, sich zu beeilen.
Die Verhandlungsdauer, die Schultz noch zugemutet werden darf, ist seit einer Stunde überschritten (Termin begann um 9.30 Uhr, jetzt ist es weit nach 12.30 Uhr). Wir sind nicht mehr nicht mehr in der Nachspielzeit, sondern in der Verlängerung. Und die Hitze steigt im Saal. Nicht nur bei den Gemütern.
«Wo bleibt der Angeklagte? Hält er uns zum Narren?» unkt ein Zuhörer, Funktionär der Querdenker-Partei «dieBasis».
Lenz kommt und kommt nicht. «Hat er sich in den Gängen des Gerichts verirrt?», sorgt sich eine Zuschauerin, die seit 2020 auf die Demos des «Demokratischen Widerstands» geht.
Nach langem Warten schaut Lenz vorsichtig durch die Tür des Saales, den er endlich betritt. Nun ist es soweit, worauf alle warten, das Urteil im Namen des Volkes wird gesprochen: Die Berufung wird verworfen und Lenz erhält eine Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 260 Tagessätzen zu je 10 Euro. Der Angeklagte hat die Kosten seines Verfahrens zu tragen.
Aus der Begründung des Urteils durch die Richterin (auszugsweise): «Wir haben die Zeitung nicht als Satire gewertet, was alles, was dort steht, sehr ernst gemeint ist. Es ging um Informationen zur Kokainsucht und nicht etwas satirisch zuzuspitzen. Das unterscheidet die Zeitung des Angeklagten von der Titanic, über deren Titel groß Satire steht. Zu Ihren Gunsten spricht: Wir verstehen, daß diese Zeit sehr angespannt war, daß Sie unter dem Eindruck der Gewalt standen einer vorangegangenen Demo. Man sah heute auch, daß Ihnen die Erlebnisse aus dieser Zeit noch sehr nahe gehen. Zu Ihren Ungunsten sprechen Ihre Vorstrafen. Wir glauben, daß Sie sich in einer desolaten finanziellen Situation befinden und haben deshalb die Höhe des Tagessatzes auf 10 Euro reduziert.»
Binnen einer Woche ist gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision möglich. Die will Lenz unbedingt, und sein Anwalt kündigte noch im Saal an, die Strafsache wenn nötig bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu bringen.
Lenz versprach vor dem heutigen Verhandlungstag eine Show vor Gericht. Und Lenz lieferte sie wieder einmal; zuverläßig wie immer.
Az. 565 NBs 12/24 237 Js 3968/20 Ns